Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) kommen ab Juni 2025 neue Pflichten für digitale Anbieter – insbesondere im B2C-Bereich. Was bedeutet das für Kanzleien, die Ihre Dienstleistungen über eine Webseite anbieten?
Marcel Zirkel von OMmatic spricht mit Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz Alexander Schupp über die rechtliche Tragweite des BFSG, Umsetzungshürden und Chancen für beratende Rechtsanwält:innen.

Digitale Teilhabe wird Gesetz – worum geht es beim BFSG?
Marcel Zirkel: Herr Schupp, in letzter Zeit hört man viel vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – BFSG. Worum geht’s da genau?
Alexander Schupp: Ganz grundsätzlich geht es um digitale Teilhabe. Das BFSG verpflichtet bestimmte Anbieter dazu, ihre digitalen Produkte und Dienstleistungen so zu gestalten, dass sie auch für Menschen mit Behinderung ohne Einschränkungen nutzbar sind. Besonders im Fokus stehen dabei Angebote, die online an Verbraucher gerichtet sind – also z. B. Kanzleiseiten, die der Kontaktaufnahme dienen.
Neu ist: Diese Anforderungen gelten nun verbindlich auch für viele **privatwirtschaftliche Anbieter**, also Unternehmen und Selbstständige, die wirtschaftlich tätig sind und ihre Leistungen nicht im öffentlichen Auftrag, sondern am Markt anbieten – etwa Händler, Reiseportale oder andere Dienstleister. Bisher galten solche Barrierefreiheitsvorgaben vor allem für öffentliche Stellen nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG). Das BFSG bringt diese Verpflichtungen nun auch in die Breite der Privatwirtschaft. Das ist ein echter Meilenstein in der Gesetzgebung.
Was bedeutet das für Mandanten Ihrer Kanzlei?
Zirkel: Wer muss denn konkret handeln? Gilt das für alle Webseiten?
Schupp: Nicht ganz. Das Gesetz richtet sich primär an Anbieter, die Endverbraucher als Zielgruppe haben – also B2C. Kleine Betriebe unter zehn Beschäftigten und mit weniger als zwei Millionen Euro Jahresumsatz sind formal ausgenommen. Aber: Wer heute wettbewerbsfähig bleiben will, sollte das Thema freiwillig angehen – auch wenn er unter die Ausnahmeregelung fällt.
Welche Anforderungen müssen Mandanten umsetzen?
Zirkel: Was genau muss ich als Kanzlei denn tun?
Schupp: Da gibt es einiges. Der gesamte Prozess – also von der Information bis zur Mandatsanfrage – muss barrierefrei zugänglich sein. Das bedeutet z. B. gut lesbare Texte, eine strukturierte Seitenführung, alternative Texte für Bilder, keine Bedienhürden für Screenreader-Nutzer usw. Die Anforderungen orientieren sich an den WCAG 2.1, und zwar auf dem Level AA.
Beratungsbedarf beim Umbau: pauschal oder individuell?
Zirkel: Klingt nach viel Aufwand. Müssen jetzt alle ihre Webseiten komplett umbauen?
Schupp: Nicht unbedingt. Es hängt vom Ist-Zustand ab. Viele moderne CMS-Systeme bringen schon gute Grundlagen mit. Aber es gibt auch Baustellen – gerade bei der konkreten Umsetzung, etwa bei Bildern, Formularen oder dynamischen Elementen. Wichtig ist: nicht blind umbauen, sondern strukturiert vorgehen – technisch und rechtlich begleitet.
Welche rechtlichen Risiken bestehen bei Untätigkeit?
Zirkel: Und was, wenn ich das ignoriere?
Schupp: Das kann teuer werden. Die Marktüberwachungsbehörden können weitreichende Maßnahmen ergreifen. Außerdem können Verbraucher oder Verbände Verstöße abmahnen oder sogar klagen. Die Konsequenzen sind real – auch wenn das einige vielleicht noch unterschätzen.
Wie sollten Kanzleien mit dem Thema umgehen?
Zirkel: Ich höre in der Branche von teuren Zertifizierungen und Notfallpaketen. Ist da was dran?
Schupp: Leider gibt’s gerade viel Panikmache. Einige Anbieter wittern das große Geschäft und bieten überteuerte, teilweise unseriöse „Zertifizierungen“ an, die rechtlich gar nicht gefordert sind. Ich sage meinen Mandanten immer: Bleiben Sie ruhig, lassen Sie sich gut beraten – und geben Sie kein Geld für Luftnummern aus.
Gibt es vertrauenswürdige Umsetzungspartner?
Zirkel: Haben Sie einen Tipp, wohin man sich wenden kann?
Schupp: Ja, tatsächlich. Ich habe sehr gute Erfahrungen mit der Firma OMmatic gemacht. Die kennen sich technisch hervorragend aus, sind fair in der Preisgestaltung und liefern keine „Mogelpakete“, sondern praxisnahe Lösungen. Ich empfehle sie regelmäßig weiter – mit durchweg positiver Resonanz.
Was ist mit der Barrierefreiheitserklärung?
Zirkel: Muss auch eine Barrierefreiheitserklärung veröffentlicht werden?
Schupp: Ja, das ist Pflicht. Sie muss auf der Website gut auffindbar sein und unter anderem erklären, inwieweit Barrierefreiheit umgesetzt wurde.
Ihr Rat an Kolleginnen und Kollegen in der Beratung?
Zirkel: Ihr wichtigster Rat für Kanzleien?
Schupp: Fangen Sie jetzt an – mit Augenmaß, aber entschlossen. Holen Sie sich jemanden ins Boot, der sowohl rechtlich als auch technisch kompetent ist. Wer früh handelt, hat nicht nur rechtlich weniger Stress, sondern zeigt auch Haltung – und erschließt vielleicht ganz neue Kundengruppen.
Fazit für die anwaltliche Praxis
Barrierefreiheit wird nicht nur gesetzlich verpflichtend, sondern bietet auch Potenzial zur Mandantenbindung und Kanzleipositionierung. Das BFSG ist ein idealer Anlass, um technisches Verständnis mit rechtlicher Beratung zu verknüpfen – kompetent, pragmatisch und zukunftsorientiert.

Über Alexander Schupp
Alexander Schupp ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz. Seit 2005 betreut er namhafte Unternehmen und Verbände in den Bereichen Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht und IT-Recht.
Er ist Gründer der Anwaltskooperation it-recht-Deutschland und Mitbegründer des auf Rechtssicherheit im Online-Handel spezialisierten Dienstleisters it-recht-PLUS.
